Intelligente Vorlagen für Grafiker
Der Mensch drückt sich gerne in Bildern aus. Davon zeugen schon die ersten Höhlenzeichnungen und so ist es auch noch im digitalen Zeitalter. Dabei wartet immer schon das nächste große Ding, das die Grafikwelt komplett transformieren und bestehende Technologie alt aussehen lässt. Jeder, der schon länger in der Grafikbranche tätig ist, erzählt mit Wehmut von dieser oder jener tollen Technologie, die inzwischen völlig von der Bildfläche verschwunden ist.
In den letzten Jahren waren die Veränderungen geradezu monumental. Die digitale Revolution hat die Grenzen zwischen den Kanälen verwischt und einen Riesenbedarf an zusätzlichen Grafiken aller Art erzeugt.
Branding beschränkte sich früher auf eher statische Dinge, Marketingmaterial zum Beispiel oder Briefpapier und Schilder. Mittlerweile weiß man, dass gutes Design gut fürs Geschäft ist, und möchte ein immersiveres Markenerlebnis anbieten. So soll also alles mit Branding versehen werden und es wird schnell klar, dass für ein umfassendes Omnichannel-Branding gigantische Mengen Bilder benötigt werden. Onlineanzeigen und ähnliche digitale Medien haben oft eine begrenzte Lebensdauer und müssen ständig aktualisiert oder modifiziert werden.
Die Tätigkeit typischer Designer wird wohl bald über die schlichte Dualität von physisch und online hinausgehen: Angetrieben von Plattformen für die Marketing-Automatisierung wächst der Trend zur Personalisierung von Grafiken. Wahrscheinlich ist eine noch viel weitreichendere Entwicklung, etwa zum Branding von 3D-Druckerzeugnissen oder zum Einsatz von erweiterter Realität für das Branding des Umwelterlebens von Verbrauchern. In dem Maß, in dem Unternehmen die Reichweite ihrer Marke ausdehnen, steigt der Bedarf an visuellen Inhalten und Designer werden immer mehr Bildmaterial für immer mehr Anwendungsbereiche produzieren müssen. Grafikdesignkompetenz wird bald ein wichtiger Aktivposten sein.
Das Grafikdesign erlebt wohl seine nächste Transformation und die Produktionen der Designer werden in den verschiedensten Zusammenhängen erlebt. Was ist die Rolle der Designer der Zukunft?
Im Grafikdesign gibt es ein Spektrum, an dessen einem Ende außer dem Designer niemand Grafiken bearbeiten kann. Jede noch so kleine Änderung muss beim Designer beantragt werden und dieser erstellt dann jedes Mal eine neue statische Datei. Dieser Ansatz gewährleistet eine CI-konforme Arbeit, aber er ist teuer und nicht skalierbar: Die einzige Möglichkeit zu mehr Bandbreite zu gelangen, besteht in der Einstellung von mehr Personal. Am anderen Ende des Spektrums haben Nutzer Zugriff auf Dateien und alle Tools für deren Bearbeitung und können Bildmaterial ohne jede Rücksicht auf Brandingrichtlinien erstellen. Die Folge ist in der Regel ein Riesenchaos.
Konsumenten begegnen einer Marke in vielen Kanälen gleichzeitig. Kampagnen umfassen heute voneinander abhängige Technologien, Plattformen und Communities, die weit über den Printbereich hinausgehen (Websites, LinkedIn, Facebook, Instagram um nur einige zu nennen). Jede Änderung der Grafiken für einen Kanal hat direkte Auswirkungen auf alle anderen. Herkömmliche Verfahren sind diesen Herausforderungen nicht gewachsen. Das Risiko der Fragmentierung und von Verstößen gegen CI-Richtlinien in den verschiedenen Kanälen ist hoch. Die Designer dürfen trotz aller Komplexität die CI-Konformität und Nutzererfahrung nie aus den Augen verlieren.
Der ideale Punkt liegt irgendwo zwischen völliger Freiheit und totaler Beschränkung: ein kontrollierter Ansatz mit intelligenten Vorlagen, bei dem Designer vorgeben, welche Elemente der Markenidentität nicht verhandelbar sind und welche die Nutzer bearbeiten dürfen. Die Designer überlegen sich Fallszenarien und legen jeweils fest, wie andere Elemente automatisch auf Änderungen durch Nutzer reagieren sollen.
In Zukunft werden Designer Kollektionen intelligenter Vorlagen kuratieren, mit deren Hilfe Nutzer Bildmaterial selbstständig modifizieren können. Durch intelligente Vorlagen bleibt die Corporate Identity an jedem physischen und digitalen Berührungspunkt mit dem Kunden klar definiert.
Laut Forrester bevorzugen 70 % der Kunden bei der Interaktion mit Unternehmen eine Online-Selbstbedienung gegenüber Telefongesprächen und E-Mails. Das bedeutet, dass Nutzer Grafiken wahrscheinlich lieber anhand einer intelligenten Vorlage in Eigenregie bearbeiten, statt jemand anderen darum bitten zu müssen.
Herkömmliche Fertigkeiten und Kenntnisse als Designer reichen nicht mehr aus. Künftig werden Designer eher als Produktmanager für intelligente Vorlagen auftreten: Sie produzieren weniger Grafikdateien, sorgen jedoch über die von ihnen erstellten intelligenten Vorlagen dafür, dass Systeme und Strategien eine selbständige Arbeit der Nutzer ermöglichen.
Sie erfüllen somit nicht mehr Aufträge von Einzelpersonen oder Abteilungen, sondern arbeiten für die Marke.
Designer der Zukunft haben mehr Wirkkraft, wenn Nutzer eigenverantwortlich arbeiten können. Statt ihre Arbeit nach den Fristen anderer zu planen, können sie viele intelligente Vorlagen erstellen und verwalten. Die Nutzer können benötigtes Material ohne fremde Hilfe erstellen. Damit ist die verfügbare Bandbreite für die visuelle Kommunikation nicht mehr zeitgebunden, sie wird vielmehr durch die Zahl der Personen mit Zugang zu intelligenten Vorlagen bestimmt.
Für Designer wird es immer schwieriger, ein angemessenes Gehalt auszuhandeln. Viele Arbeitgeber nehmen die Preise billiger Freelancer-Plattformen wie Fiverr mit ihren leicht abgeänderten und schlechten Raubkopien als Maßstab.
Der Umstieg vom Angestellten mit einem Stundengehalt zu einer strategischen Rolle wird sich auch auf die Art und Weise der künftigen Bezahlung der Designer auswirken. Auf den ersten Blick scheint das schwierig, doch muss man auch bedenken, dass die Vergütung derzeit durch die Zahl der abrechenbaren Stunden am Tag gedeckelt ist. Intelligente Designer arbeiten flexibel und ermöglichen den Nutzern die Arbeit in Eigenregie.
Anstelle einer Bezahlung nach Zeit werden Unternehmen Designer für Ideen, Vorlagen und abgeschlossene Projekte vergüten müssen. In manchen Unternehmen ist das schon jetzt klar, sie führen eine neue Art der Vergütung von Designern in dieser neuen Rolle ein. Sie wissen bereits, was gutes Design mit flexibler Bandbreite kostet.
Wenn Sie glauben, dass gutes Design teuer ist, sollten Sie sich überlegen, was schlechtes Design kostet.
Dr. Ralf Speth
@ Jaguar
Der typische Grafikdesigner arbeitete bisher lange Jahre im gleichen (normalerweise größeren) Unternehmen. Die neue Generation wünscht sich mehr Freiheit und Flexibilität und möchte nicht auf einen einzigen Arbeitgeber festgelegt sein. Sie nutzt bereits jetzt Freelancerportale online für die Suche nach potenziellen Auftraggebern.
Remote-Arbeit ist mittlerweile ziemlich verbreitet, insbesondere solche, die große Konzentration erfordert. In Unternehmen auf der ganzen Welt liegen die Vorteile der ortsungebundenen Arbeit von Mitarbeitern auf der Hand.
Auch die Designer der Zukunft arbeiten möglicherweise freiberuflich und nicht unbedingt im Haus des Auftraggebers.
Künftig werden Designer als Experten für einen ganz spezifischen Bereich verantwortlich sein: die Gewährleistung der CI-Konformität und den Schutz eines Designs bei veränderlichen Bedingungen. Sie werden einen visuellen Stil oder eine Marke pflegen.
Ihre Rolle wird eher strategischer Natur und weniger durch Auftragserfüllung und externe Termine gebunden sein. Auf diese Veränderungen müssen Designer sich vorbereiten. Die Veränderungen werden auch Auswirkungen darauf haben, was Designer leisten und wie sie dafür entschädigt werden.
Designer der Zukunft werden sich in erster Linie auf den Digitalbereich konzentrieren, bandbreitenflexibel arbeiten und die visuelle Kommunikation durch Vereinfachung und Automatisierung von Teilen des Grafikdesignprozesses demokratisieren, damit Personen ohne Grafikkenntnisse intelligente Vorlagen CI-konform bearbeiten können.
Mit der Hilfe der Designer der Zukunft wird jeder zum Designer.
Eine intelligente Vorlage ist eine Vorlage mit integrierten Designentscheidungen und/oder CI-Richtlinien, mit deren Hilfe Personen ohne Grafikkenntnisse Dokumente erstellen und bearbeiten können. Intelligente Vorlagen werden für Grafiken aller Art im Print- und Digitalbereich verwendet.
Die herkömmliche Art der Grafikproduktion. Dabei erstellt ein Designer die Grafikdatei und sämtliche Varianten und Iterationen. Das Verfahren ist in der Regel zu langsam und zu teuer für eine Ausdehnung der Bandbreite.
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